Aus gegebenem Anlass: heute erschienene Reportage auf 11freunde.de
Ghanas Torhüter „Air“ Zigi
Lawrence Ati Zigi war lange nur Ghanas Torwart Nummer drei. Doch bei der WM wird der Mann vom FC St. Gallen im Kasten stehen – zum Glück, denn Zigi zählt zu den spektakulärsten Goalies weltweit.
von Rolf Heßbrügge
Lesezeit: ca. 2 Minuten
23. November 2022
„Der und sonst keiner.“ Als der Schweizer Erstligist FC St. Gallen vor knapp drei Jahren Videomaterial von möglichen neuen Keepern sichtete, drückte Torwarttrainer Stefano Razzetti vorzeitig die Stopptaste. Heute sieht jeder in St. Gallen und in der gesamten Schweiz, was Razzetti schon damals erkannt hatte: Der Ghanaer Lawrence Ati Zigi ist ein sensationeller „Schnapper“. Vielleicht nicht der weltallerbeste, aber ganz sicher einer der spektakulärsten seiner Zunft.
Dabei ist der 1,89-Meter-Modellathlet mit den Rastazöpfen kein Show-Flieger. Zigi ist nur so dermaßen explosiv, dass seine Paraden mitunter sprachlos machen. Wenn der Mann aus Accra nach einem platzierten Schuss in Richtung Giebel hechtet, scheint es, als werde er katapultiert. Seine Paraden erinnern an Sepp Maier, die „Katze von Anzing“. Wenn Zigi hochsteigt, um vor dem eigenen Strafraum mit dem Kopf zu klären (was er häufig tut), steht er in der Luft wie Michael „Air“ Jordan zu seinen besten Zeiten. Der Ausflugsradius des Afrikaners erinnert verdächtig an Manuel Neuer.
In Rekordzeit zum Publikumsliebling
Schon bald wird die ganze Welt Zigis Fähigkeiten bestaunen können: Der 25-Jährige, bis vor kurzem noch Ghanas Goalie Nummer drei hinter den aktuell verletzten Richard Ofori (Orlando Pirates/Südafrika) und Joe Wollacott (Charlton Athletic), wird bei der WM im Tor stehen. Und es scheint, als hätte Nationaltrainer Otto Addo die richtige Wahl getroffen. Im letzten Härtetest am Donnerstag gegen seine sportliche Wahlheimat Schweiz (2:0) blieb Zigi 90 Minuten lang unüberwindbar.
Vergesst René Higuita, vergesst Jorge Campos, vergesst José Luis Chilavert. Freut euch auf diesen Lawrence Ati Zigi. Laut St. Galler Tagblatt hatte der Afrikaner nach seiner Ankunft im Januar 2020 „nur fünf Spiele gebraucht, in St. Gallen Publikumsliebling zu werden“. Andere Quellen sprechen von „maximal zwei Spielen“. Selbst in der traditionell diskreten Schweiz greifen sie am liebsten zu Superlativen, wenn von Zigi die Rede ist. Das Newsportal fm1today.ch lobte: „Der spektakulärste Goalie seit Jörg Stiel.“ Gladbach-Fans wissen, dass dies einem Ritterschlag gleichkommt.
Zeichnungen und Ziehvater
Das Geheimnis von Zigis Stärke – es liegt vielleicht in seiner inneren Ruhe. Der tiefgläubige Christ, der mit seiner Mutter, seiner Großmutter und zwei Schwestern in einem Mittelklasse-Viertel von Accra aufwuchs, greift in der Freizeit am liebsten zu den Zeichenstiften. Das tat er schon als Kind gern. Zigis zupackende Hände beherrschen selbst feinste Schwünge: Er zeichnet Landschaften, Pflanzen, Menschen oder Tiere. „Einfach alles.“ Die Kunst, so sagt er, sei ein beruhigendes Hobby.
Nicht einmal 100.000 Franken Ablöse (rund 101.000 Euro) musste der FC St. Gallen 2020 hinblättern, um Lawrence Ati Zigi vom französischen Klub FC Socheaux loszueisen. „Der gefällt jedem“, versprach St. Gallens deutscher Trainer Peter Zeidler, der Zigi bereits in Liefering (2015) und in Socheaux (2017 bis 2020) betreut hatte. In Österreich war der Ghanaer noch längst kein kompletter Keeper, doch er besaß alle Anlagen. Und Zeidler behielt ihn stets im Blick. „Peter Zeidler ist wie ein Vater für mich“, sagt Zigi, dessen eigener Papa früh verstarb.
„Er ist eine coole Socke“
Heute schätzt transfermarkt.de den Marktwert des Ghanaers auf stolze 2,5 Millionen Euro – eine Verfünfundzwanzigfachung in weniger als drei Jahren. Zigis WM-Performance könnte die Preisschraube noch weiter nach oben drehen, was St. Gallens Sportdirektor Alain Sutter vermutlich freuen würde. Zumal der ursprünglich bis 2023 datierte Vertrag des Shootingstars erst im September verlängert wurde: bis zum 30. Juni 2025.
Auch Jörg Stiel hält übrigens eine Menge von St. Gallens und Ghanas Nummer 1: „Zigi hat eine unglaubliche Entwicklung gemacht“, attestierte der frühere Nationalkeeper der Schweiz gegenüber fm1today.ch: „Seine Art hat ihn rasch zum Publikumsliebling gemacht, seine Qualitäten sind gut, er ist immer fähig, einen Big Save zu machen.“ Was Stiel besonders beeindruckt an Zigi: „Auch wenn er mal einen Fehler macht, beeinflusst das den Rest seiner Leistung nicht. Das ist nicht bei allen Goalies so. Er ist eine coole Socke.“
Die Frage lautet also nicht, ob Ghanas Torwart bereit ist für die WM. Die Frage lautet eher: Welt, bist du bereit für Lawrence Ati Zigi?