Beitrag
von Ennet em Ricke » 03.01.2022 00:06
Zwar schon einige Tage her, aus dem Tagblatt...
Vor ein paar Jahren waren die Rapperswil-Jona Lakers auf dem Weg Richtung Langenthal. Eine Partie in der zweitklassigen Swiss League stand an. Als der Mannschaftsbus vor den Spielereingang der Eishalle fahren wollte, soll das Sicherheitspersonal dem Chauffeur bedeutet haben, dass der Fancar woanders parkieren müsse. Der Bus war mit dem Namen eines Reiseunternehmens beschriftet. Doch darin sassen nicht Reisende an einen Sportevent, sondern die Spieler.
Die Geschichte erzählt viel über den Wandel des Klubs, der im Dezember 2021 Rang zwei in der erstklassigen National League belegt. «Früher waren die Lakers die graue Maus, heute gelten sie als sympathisch», sagt Stefan Bürer, der seit Oktober Kommunikationschef bei den Lakers ist und in der Geschäftsleitung sitzt. Bürer war über 28 Jahre lang für SRF tätig, kommentierte Eishockey- und Tennisspiele. In der Schweiz gibt es kaum jemanden, der seine Stimme nicht kennt. Wenn Roger Federer in den letzten zwei Jahrzehnten etwas gewann, lieferte Bürer den Soundtrack dazu. Heute ist Bürer ein weiterer Beleg dafür, wie sich der Klub professionalisiert hat.
Abgestiegen und dadurch angetrieben
Der Wandel begann 2015. Rapperswil-Jona hatte viele teure Ausländer im Kader, aber wenig Punkte auf dem Konto. Am Ende der Saison stiegen die Ostschweizer erstmals aus der National League ab. In der Retrospektive tat die Relegation dem Klub gut. Weil Markus Bütler, der bis 2010 zwölf Jahre lang für die Lakers gespielt hatte, Geschäftsführer wurde. Mit ihm ist Ruhe eingekehrt.
Ruhe, das ist ein hohes Gut in einer professionellen Sportorganisation. Das wissen sie auch am Obersee. Jahrelang rumorte es bei den Lakers. Oft selbstverschuldet. Wenn Informationen an die Öffentlichkeit drangen. Wenn Klubfunktionäre die Mannschaft in der Zeitung kritisierten. Und wenn die Zahlen mal wieder rot waren.
Heute ist vor allem der Mannschaftsbus rot. Bütler hat einen neuen beschafft. Mit dem Logo der SC Rapperswil-Jona Lakers drauf. Das ging auf Kosten des ehemaligen Chauffeurs, der beliebt war im Klub, aber wegen des neuen Gefährts nicht weiterbeschäftigt werden konnte. Bütler scheut sich nicht davor, unpopuläre Entscheidungen zu treffen. 2019 ersetzte er den damaligen Sportchef Roger Maier, der heute Sportkoordinator ist, durch Janick Steinmann, eine externe Person. Das kam nicht überall gut an.
Der Erfolg gibt Bütler indes recht. 2018 stieg der Klub wieder in die National League auf und gewann den Cup. In der vergangenen Saison scheiterte er im Playoff erst im Halbfinal. Bütler sagt: «Steinmann hatte ein gutes Händchen.» Es gehe in einer Mannschaft darum, dass die Spieler ihre Stärken einbringen könnten. Das können sie in Rapperswil.
Die Lakers stellen die beste Offensive der Liga. Zwei der besten zehn Torschützen tragen Rot: Sandro Zangger, 13 Tore, und Roman Cervenka, 12 Tore. Cervenka ist einer der besten Spieler, den die National League in den vergangenen Jahren gesehen hat. Dass er ein Leistungsträger ist, überrascht nicht. Dass Sandro Zangger aber derart verlässlich skort, damit konnte nicht gerechnet werden. Letzte Saison verbrachte der 27-Jährige noch im Tessin. Eigentlich beim HC Lugano. Doch Zangger wurde ein halbes Jahr lang ins Farmteam abgeschoben.
Die Lakers suchen nach Gestrandeten
Die Lakers suchen nach solchen Spielern. Nach denen, die zwischen Stuhl und Ersatzbank gefallen sind. Und keine Rolle mehr spielen. Wie Zangger. Und auch wie Nando Eggenberger. In Rapperswil geht es anfangs aber nicht ums Rollespielen, sondern ums Rollefinden. Bütler sagt:
«Wenn ein offensiv ausgerichteter Spieler in einem Klub eine eher defensive Rolle übernehmen muss, ist es schwierig, zu brillieren.»
Eggenberger ist eines von vielen Beispielen. Er hat seine Stärken in der Offensive, wurde in Davos aber weiter hinten eingesetzt. Und irgendwann fast gar nicht mehr. Beim SCRJ ist er nun einer der wichtigsten Spieler. Diese wichtigen Spieler, jene, die beim Powerplay auf dem Eis stehen, sind auffallend häufig Schweizer bei den Lakers. Und eben nicht mehr teure Ausländer. Ein ehemaliger Akteur sagt: «Rapperswil holt nicht mehr die Ausländer, die am meisten Tore schiessen, sondern die, die am besten in die Mannschaft passen.» Zack Mitchell etwa. Er kommt meist in der vierten Linie zum Einsatz und erzielt nicht besonders viele Tore. Aber er passt ins Team. Ein anderer Ausländer: Andrew Rowe. Auch er schiesst nicht viele Tore, aber ist Captain und tut dem Team gut. Steinmann hat die Mannschaft intelligent zusammengestellt.
Dienstag, vergangene Woche. Die Lakers empfangen die ZSC Lions. Vor dem Eingang zum Stehplatzsektor der St.-Galler-Kantonalbank-Arena werden Olma-Bratwürste verkauft. Einer sagt «foif vor» und nicht «füf vor». So spät ist es. In 20 Minuten beginnt der «Motsch», nicht der «Matsch». In Rapperswil ist Zürich näher als St.Gallen, nicht nur sprachlich. Bürer sagt: «Wer hier wohnt, hat einen grösseren Bezug zur Stadt Zürich als zur Stadt St.Gallen. Alleine der Distanz wegen.» Nach Zürich fahren sechs Züge in der Stunde. Und doch:
«Wir wollen auf keinen Fall Zürcher sein.»
Ähnliche Situation wie beim FC St.Gallen
Bürer definiert Rapperswil vor allem über das, was es nicht sein möchte. Das Geschäftsmodell ist aber ein st.-gallisches, gewissermassen das St.Galler Managementmodell. Und das besagt im Sport: auf Junge setzen, gestrandete Spieler verpflichten, Euphorie entfachen, nicht mehr ausgeben, als man einnimmt. Dabei gibt es Sportfunktionäre, die sagen, oberste Spielklasse und kein strukturelles Defizit, das funktioniere nicht. In Rapperswil geht das, und es geht auch im FC St.Gallen. Die Ostschweiz ist ein wenig zur Vernunft im bisweilen unvernünftigen Sportbetrieb geworden. Bürer sagt: «Die Voraussetzungen beim FC St.Gallen sind ähnlich wie bei uns.» Und meint damit: «Auch der FCSG kämpft mit wenig Mitteln, mit kleineren Waffen als die anderen Super-League-Klubs. Aber gleichzeitig sind wir auch beide in einer begeisterungsfähigen Region zu Hause.»
Derzeit ist Länderspielpause. Am 20. Dezember geht’s mit zwei Heimspielen weiter, ehe die Lakers fürs erste Spiel 2022 wieder mit dem Car unterwegs sein werden. Dann fahren sie nach Zürich, zu den Lions. Nicht mehr als graue Maus, sondern als roter Schrecken. Bütler: «Das Ziel sind die Pre-Playoffs.»
Wenn jetzt noch der FCSG wieder so erfolgreich wird, ja dann wird das Nervensystem wieder ganz aufgebaut.