liha hat geschrieben: ↑04.10.2023 07:33
Tagesanzeiger von heute:
Unseriös und hochriskant? Der YB-Hauptsponsor ist umstritten
In Frankreich dürfen Spiele der Berner wegen der Trikotwerbung von Plus500 nicht gezeigt werden. Doch die YB-Fans stören sich lieber an den europäischen Gegnern.
Dominic Wuillemin
Publiziert heute um 06:00 Uhr
Auch dank YB im globalen Schaufenster: Die Tradingplattform Plus500.
Foto: Raphael Moser
Sie überlegten sich den Boykott. Sie verfluchten ihre Gegner, ganz besonders RB Leipzig, diesen Red-Bull-Club, der für Fans europaweit ein rotes Tuch ist.
Vor dem Auftakt in die Champions League vor zwei Wochen veröffentlichen die organisierten YB-Anhänger ein Communiqué. Leipzig bezeichnen sie als Werbekonstrukt, Manchester City als subtiles Sportswashing, und an Roter Stern Belgrad stört sie die Nähe zu Russland, die sich besonders im Hauptsponsor Gazprom ausdrückt.
Für sie ist ihr Verein in einer Todesgruppe gelandet, aber nicht aus sportlichen Gründen. Sie schreiben: «Die Losfee hat es nicht gut mit uns gemeint.» Und: «Das Multimilliardengeschäft Fussball ist zu einem noch grösseren, noch kommerzialisierteren und noch unmoralischeren Monster herangewachsen.»
Nach langen Diskussionen hätten sie sich dann doch gegen den Boykott der Partien gegen RB entschieden, weil sie ihren Herzensverein unterstützen wollten, schreiben die Fans weiter. Und halten fest: «Hier liegt der Gewissenskonflikt, dem jeder Fussballliebhaber in der heutigen Zeit ausgesetzt ist.»
Wer der Romantik zugeneigt ist, findet vielleicht Gefallen an solchen Worten. Mit der Realität haben sie aber wenig zu tun. Ganz vieles bleibt unerwähnt.
YB setzt auf Kommerz
Die YB-Fans verlieren kein Wort darüber, dass ihr Club von der Teilnahme an der Königsklasse profitiert. In diesem Jahr werden die Berner über 30 Millionen Franken einnehmen, das übersteigt das Jahresbudget der meisten Ligakonkurrenten. Geld, das YB dazu nutzt, die nationale Vormachtstellung immer weiter auszubauen und der Konkurrenz regelmässig die besten Spieler abzuwerben.
YB-CEO Wanja Greuel treibt bei den Bernern die Monetarisierung abseits der Sportabteilung seit Jahren voran.
Foto: Claudio de Capitani (Freshfocus)
Kein Wort der Fans, dass auch ihr Club im kommerzialisierten Fussball mitmacht und dabei in der Schweiz eine Vorreiterrolle einnimmt. Unter CEO Wanja Greuel sucht YB immer nach neuen Möglichkeiten, den Erfolg auch abseits der Sportabteilung zu monetarisieren. Das ist schliesslich sein Job.
Bei YB-Partien ist der Stadionsprecher längst ausgelastet, weil alles gesponsert ist – von den Cornern über Gelbe Karten bis zur Live-Tabelle. Die Young Boys bieten für knapp hundert Franken auch NFTs an, sogenannte digitale Autogrammkarten der Spieler. Und sie liessen darüber abstimmen, wie ihr diesjähriges Cup-Trikot aussehen sollte. Wer mitmachen wollte, musste allerdings mindestens einen YB-Fan-Token in der Socios-App besitzen, einer Blockchain-basierten Plattform. Eine klassische Umfrage unter Fans? Zu wenig sexy. Bringt ja kein Geld ein.
Fussball ist Business – auch in Bern.
Wie Glücksspiel
Fast gleichzeitig mit dem Fan-Statement wird bekannt, dass die YB-Partien in der Champions League in Frankreich nicht übertragen werden dürfen. Die dortige Finanzmarktaufsicht (AMF) stuft das Geschäftsgebaren von Firmen wie dem Berner Hauptsponsor Plus500 als zu unseriös ein, Werbung ist deshalb untersagt. Dasselbe widerfuhr letzte Saison Atalanta Bergamo, die Italiener werden ebenfalls vom Finanzdienstleister mit Sitz in Haifa gesponsert, der polnische Topclub Legia Warschau auch.
Der Grund für das Verbot: Plus500 ist eine Tradingplattform, die den Handel mit sogenannten Differenzkontrakten – kurz CFDs – anbietet. Mit diesen kann auf Kursveränderungen etwa bei Aktien oder Währungen gewettet werden. Und dieser Handel ist seit 2018 in Frankreich stark eingeschränkt, weil er als hochriskant gilt. Wer sein Geld mit CFDs anlege, könne ebenso gut ins Casino gehen, finden Verbraucherschützer, sie warnen seit Jahren davor. Die AMF schreibt: «CFDs können dazu führen, dass Sie innerhalb von Sekunden Ihre gesamte Einlage oder sogar mehr verlieren.»
«Finanzgeschäfte bergen immer Risiken. Wir gehen davon aus, dass dies jedem Anleger bewusst ist.»
YB-CEO Wanja Greuel
Laut englischem Gesetz müssen Handelsplattformen, die CFDs anbieten, jeden neuen Kunden darauf hinweisen, dass gerade Privat- und Kleinanleger mit Differenzkontrakten Geld verlieren. Je nach Plattform können das zwischen 71 und 87 Prozent der Anleger sein. Zudem stellte die englische Finanzaufsichtsbehörde (FCA) 2022 fest, dass bei einem Fünftel der Nutzer von Anlage-Apps für Privatkunden ein Risiko für problematisches Glücksspiel besteht. YB-CEO Greuel sagt: «Finanzgeschäfte bergen immer Risiken. Wir gehen davon aus, dass dies jedem Anleger bewusst ist.»
Plus500 ist an der Börse in London gelistet, global tätig und somit etlichen Aufsichten unterstellt. Zudem gehen beispielsweise die französischen Regulierungen viel weiter als jene in anderen Ländern. Die Schweizer Tradingplattform Swissquote bietet auch den Handel mit CFDs an. Was Plus500 also macht, ist nicht verboten, es hat jedoch ein Geschmäckle.
Von Migros Aare zu Plus500
Das 2008 gegründete Unternehmen ist seit 2020 Hauptsponsor der Young Boys. Und die sind stolz auf die Partnerschaft. Als sie diese vor drei Jahren bekannt gaben, schrieben die Berner, dass ihr Partner in Sportkreisen durch das jahrelange Hauptsponsoring des Spitzenclubs Atlético Madrid bekannt sei. 2016 waren die Spanier bis in den Final der Champions League vorgestossen und hatten dabei das Plus500-Logo der Weltöffentlichkeit vorgeführt.
Die grösstmögliche Bühne im Clubfussball: Auf den Trikots von Atlético Madrid prangte im Champions-League-Final 2016 das Logo von Sponsor Plus500.
Foto: Filippo Monteforte (AFP)
Die Berner wähnten sich nun auch auf dieser Stufe im Kreis der Grossen. In den Jahren zuvor war die Migros Aare die Hauptpartnerin gewesen. So war 2019 in der Europa League das Logo der Migros-Tochter Shoppyland auf die Vorderseite des YB-Trikots gedruckt, des Einkaufszentrums in Schönbühl BE. Provinzieller geht es kaum.
Natürlich waren mit dem Sponsorenwechsel auch Mehreinnahmen verbunden. 2018 und 2019 wiesen die Young Boys in dieser Kategorie knapp 9 Millionen Franken aus – wobei darin auch die Beiträge aller anderen Partner enthalten sind. 2022, im letzten Geschäftsbericht, sind bei den Sponsoreneinkünften nun 11,3 Millionen Franken aufgelistet – auch in dieser Kategorie sind die Berner Spitze: Der FC Basel kam im selben Jahr auf rund 2,5 Millionen weniger. Zu den Mehreinnahmen von YB dürfte nicht unerheblich das Engagement von Plus500 beigetragen haben.
Dieses wurde im Juni bis 2025 verlängert. Als die Berner im Playoff zur Königsklasse Maccabi Haifa bezwangen, dürfte die Freude am dortigen Hauptsitz von Plus500 trotzdem gross gewesen sein. Schliesslich hat das Unternehmen YB nur deshalb auserkoren, weil die Young Boys der Schweizer Krösus sind. CEO Greuel sagt: «Für unseren Hauptpartner bedeutet die Champions League sehr viel. Wenn wir nicht regelmässig europäisch spielen würden, wäre Plus500 wahrscheinlich nicht unser Hauptpartner.»
So viel zu der von den Fans verfluchten Königsklasse. Die YB-Anhänger schreiben auch: «Zusammen stehen wir ein für einen Sport für alle, für den es kaum mehr braucht als einen Ball, ein Stück Rasen und zwei Tore.» Ihr geliebter Club sieht das ein wenig anders.