Logisch, dass ich was aus Russland bringe!
Ich war beim Spiel Schinnik Jaroslawl gegen ZSKA Moskau. Normales Meisterschaftsspiel, 19. Runde, Samstag, 14. 8. 19:00h. Schinnik eher unter den Erwartungen am Ende der Tabelle platziert, als 14. von 16 Teams, ZSKA als 5. nur zwei Punkte hinter dem damaligen Leader Senit SPB und somit klarer Favorit, auch weil sie am Dienstag zuvor die Glasgow Rangers überzeugend 2:1 besiegt haben. Von diesem Spiel vielleicht später mal Fotos.
Ich bestieg frühmorgens um 7:00h den Bus in Wladimir. Die fünfstündige Busfahrt kostete 198 Rubel (9 CHF).
Ich ging dann direkt zum Stadion und war mir zuerst unschlüssig, ob ich ein Ticket für den Gästesektor kaufen sollte, weil ich ja schon etwas mit den Armeizy sympathisiere. Aber ein Freund aus der Nähe von Moskau, den ich vor gut eineinhalb Jahren vor dem Spiel Saturn REN-TV gegen ZSKA kennengelernt habe und der ein glühender ZSKA-Fanat ist, der konnte entgegen der Erwartung nicht nach Jaroslawl kommen, weil er arbeiten musste. Und weil es nach Regen aussah, beschloss ich, mich ganz dekandent auf die Haupttribüne zu setzen, unter Dach versteht sich, und die zu erwartenden Pyroaktionen der Rot-blauen von dort aus zu fotografieren. Für 120 Rubel (5,50 CHF) kaufte ich mir also ein Ticket für die Haupttribüne, dazu noch ein Matchprogramm für 20 Rubel (0,90 CHF)
Dann bis 19:00h noch in Museen und Geschäften die Zeit totgeschlagen, noch das köstliche Jarpiwo (Jaroslawler Bier) getrunken und dann etwa um 18:30h beim Stadion angekommen. Gleichzeitig fing's auch an zu regnen. Also noch schnell in den Fanshop, die Verkäuferin beglotzt (gratis), ein Trikot (400 Rubel/18,20 CHF) und einen Schal (150 Rubel/6.80 CHF) gekauft. Jenen blauschwarzen Schal übrigens, den viele am letzten Heimspiel für einen FCZ-Schal hielten.
Danach also rein ins Stadion. Im Gegensatz zu Moskau ziemlich lasche Kontrollen. Zweimal kontrolliert von der Miliz, aber nicht wirklich seriös. Dann die erste Skepsis als ich das ziemlich kurze Dach der Haupttribüne sah. Das ging nie und nimmer runter bis zur Reihe 9, wo mein Platz war. Die Kassenschlampe hatte mich also frech angelogen und verarscht.

Also versuchte ich, dem Regen etwas zu trotzen, bzw. unter den Schirm meines Nachbarn zu kriechen. Gab aber nach 25 Minuten völlig durchnässt auf und setzte mich weiter oben auf die Treppe.
Bis dahin war schon einiges gelaufen. Schinnik ging rasch 2:0 in Führung, ZSKA spielte enttäuschend, kam aber kurz vor der Pause noch mittels Penalty zum 2:1, was die ganze Haupttribüne mit einem "Sudja, piderast!" ("Schiri, Schwuler!") quitierte, das sich bis zum Ende der Halbzeit hinzog.
12'000 Zuschauer waren im Stadion, davon bestimmt zwischen 2'500 und 3'000 Leute im Gästesektor. Die wurden während 90 Minuten so was von verschifft. Da hilft eigentlich nur durchsingen und das taten sie auch. Ich bereute es schon beinahe, nicht in den Gästesektor gegangen zu sein, vor allem als sie nach gut einer Viertelstunde anfingen, die Fackeln zu zünden. Sah wirklich schön aus. Natürlich flogen dann die Fackeln gegen die Miliz.
Alles in allem wohl der beste Support, den ich je gesehen habe, vor allem was die stimmliche Unterstützung angeht. Denn ausser Zaunfahnen und Fackeln gab's nichts optisches. Da Jaroslawl nur vier Zugsstunden nordöstlich von Moskau liegt, kam aber doch eine stattliche Zahl ZSKA-Fans ans Spiel.
In der Pause suchte ich dann das Klubrestaurant auf, von welchem man einen herrlichen Blick auf das Spielfeld hatte. So beschloss ich, Halbzeit 2 dort zu verbringen, mich zu trocknen und mit Wodka und heissem Tee zu wärmen.
Das Spiel blieb bei 2:1 für Schinnik, mehr als ein Anstürmen lag für ZSKA nicht mehr drin. Jaroslawl spielte jedoch clever und lief nie Gefahr, das Spiel noch aus der Hand zu geben. Sie bewiesen an jenem Abend, dass sie zu Unrecht so weit unten standen in der Tabelle.
Nach dem Spiel machte ich dann noch die Bekanntschaft zweier Dauerkartenbesitzer. Der eine mitte 30, der andere etwa mitte 40, die auch Kontakte zu den Kluboberen hatten. Sie luden mich dann zu Cognac und Schnitzel und Kartoffeln ein, stellten mich dann noch dem Stadionchef vor und zu guter Letzt fragte der eine, wann denn mein Zug fahre. Ich meinte, um 2:00h nachts, also in gut vier Stunden. Also lud mich der Jüngere noch zu sich nach Hause ein, seine Frau würde mir noch was kochen, und ich könnte mich auch noch aufwärmen und somit die Zeit bis um 2:00h überbrücken. Das Essen war dann auch wirklich gut und die Fotoalben der Familie noch ganz witzig. War wirklich edel gewesen von Aleksei Aleksejewitsch, seiner Frau und Aleksandr Nikolajewitsch, die mal wieder echte russische Gastfreundschaft demonstriert haben!

Nochmals ein dickes "spassibo"!
Gegen 1:30h bestellte mir Aljoscha dann ein Taxi, das mich zum Bahnhof fuhr. Dort sah ich mir in der Wartehalle noch etwas Olympische Spiele an, bis dann ein besoffener Typ an den Kabel-Kanälen herumzappte und dann bei einem Hardcorefilm innehielt. Die meisten der etwa 300 Leute im Wartesaal empörten sich, es seien ja noch Kinder da usw., aber keine Sau stand auf und wechselte den Kanal - bis dann der Besoffene nach etwa 3 Minuten horizontaler Action seinen Spass gehabt hatte und wieder auf Ringen umschaltete.
Um 2:00h ging's mit dem Nachtzug, der von Sibirien her kam, zurück nach Moskau (240 Rubel/11 CHF), und von da dann mit einem der ersten Busse die letzten dreieinhalb Stunden nach Wladimir (110 Rubel/5 CHF), 180 km östlich von Moskau. Kurz vor Mittag war dann mein Trip zu Ende.