Beitrag
von lutzel » 23.05.2010 07:38
aus der Zeitung "Sonntag" von heute, 23.5.2010
"Ein Kämpfer, der nie aufgibt
Der Ghanaer Alex Tachie-Mensah hat in der Schweiz Wurzeln geschlagen und möchte Trainer werden
Wegen einer schweren
Verletzung musste Alex Tachie-Mensah seine Karriere beenden. Doch der Afrikaner hadert nicht mit dem Schicksal.
Der 5:4-Erfolg gegen Tobel-Affeltrangen hat gut getan. Der zweite Sieg innert Wochenfrist lässt Trainer Alex Tachie-Mensah hoffen, dass seine zuvor so erfolglosen Frauenfelder A-Junioren nun realisieren, was mit Teamwork möglich ist. «Das ist es, was ich ihnen vermitteln will», sagt Alex Tachie-Mensah.
Wie die Mentalität auch, die ihn während seiner eigenen Profikarriere ausgezeichnet hat. «Ja», sagt Alex, «als Trainer hätte ich gerne Spieler vom Typ eines Alex Tachie-Mensah in meiner Mannschaft. Solche, die nie aufgeben und sich zerreissen für den Sieg.»
Vor einem Jahr indes hat selbst einer wie Alex Tachie-Mensah kapitulieren müssen. Knapp zwei Jahre nach dem Foul von Boris Smiljanic im Saisoneröffnungsspiel zwischen GC und St. Gallen, als so ziemlich alles in Alex’ rechtem Sprunggelenk kaputtgegangen war. «Ich wurde siebenmal operiert», sagt Alex, «dann kam noch eine schlimme Infektion hinzu. Die Ärzte waren sich nicht sicher, ob ich noch einmal in den Spitzenfussball zurückfinden würde», sagt Alex. Nach zwei langen Jahren des Hoffens und Bangens mit nur noch sieben Einsätzen zog er schliesslich nach 230 Partien und 89 Toren für Xamax und St. Gallen selbst den Schlussstrich. Dass sich Smiljanic nie bei ihm entschuldigt hatte, blieb dabei als Enttäuschung zurück. Ausgerechnet Smiljanic, der im Trikot des FC Basel zwei Jahre zuvor jener Mann gewesen war, der ihm einen Nierenriss zugefügt hatte. Eine Verletzung, die Alex möglicherweise sogar das Leben gekostet hätte, wenn nicht ein wachsamer Arzt sein Ansinnen, das Spital zu verlassen, zurückgewiesen hätte. «Hätten sie mich nach Hause gelassen, so wäre ich wohl innerlich verblutet», sagt Alex.
Seine Frau, eine Bernerin, seine beiden Töchter Vanessa (5) und Lana (3) und sein starker Glaube haben ihm in den schweren Zeiten nach den Verletzungen geholfen, nicht zu verzweifeln. «Ich bin ein Kämpfer», sagt Alex. Aber keiner, der seine religiöse Botschaft auf einem T-Shirt trägt. «Gerade in meiner Heimat denken viele Menschen, es genüge, in die Kirche zu gehen und zu beten, dann werde Gott schon helfen», sagt Alex. «Ich bin aber der Meinung, dass man vor allem zuerst etwas tun muss, damit Gott hilft.»
So hat Alex nicht zu sehr gehadert, dass seine aktive Karriere im Alter von 32 Jahren bereits zu Ende ist. Er hat sich Gedanken über seine Zukunft gemacht und sich zum Personaltrainer ausbilden lassen. Jetzt hilft er Menschen – zum Beispiel solchen mit Übergewicht –, fit zu werden. Das Geschäft läuft mässig, aber Alex lässt sich nicht unterkriegen. Wie damals vor acht Jahren auch nicht, als er sich mit üblem Rassismus konfrontiert sah. Eben erst in St. Gallen angekommen, hatte er in einem Restaurant während einer Stunde auf das Servicepersonal gewartet. Als er schliesslich fragte, was los sei, erhielt er zur Antwort, hier würden Schwarze nicht bedient.
Davonlaufen aus St. Gallen mochte er deswegen nicht. «Ich bin ein Kämpfer», sagt er erneut. Beim FC Frauenfeld hat er nun Anlauf zu einer Trainerlaufbahn genommen. Dreimal in der Woche trainiert er seine Junioren. Er hat in den acht Monaten seines Wirkens die Gewissheit erhalten, dass der Trainerjob etwas für ihn sein könnte. Im August will er das B-Diplom erwerben und bis spätestens in ein paar Jahren, so hofft Alex, will er sich in den Profibereich hochgekämpft haben. Werner Zünd, die St. Galler Trainerlegende, hatte ihm einst prophezeit: «Alex, du wirst einmal Trainer!»
Von seinen Junioren verlangt Alex Disziplin. Ein Afrikaner, der Disziplin verlangt? «In Kumasi, dort, wo ich mit dem Fussball begonnen habe, hatte ich einen sehr strengen Trainer», sagt Alex. In Kumasi, nach Accra die zweitgrösste Stadt des Landes, ist Alex als Sohn eines Finanzberaters aufgewachsen. Seine überragende Schnelligkeit hatte er von der Mutter geerbt, die einst Landesmeisterin im Sprint geworden war. «Ohne Kumasi ist Ghana nichts», sagt Alex. «Accra ist zwar die Stadt der Moderne und der Banken, aber Kumasi ist das Zentrum des Handels und der Landwirtschaft.» Bis auf den nach New Jersey ausgewanderten Vater lebt noch immer Alex’ ganze Familie in Kumasi.
Auf Ghana lässt Alex nichts kommen. «Ich bin extrem stolz auf dieses Land», sagt Alex. «An vielen Orten in Afrika ist Krieg, aber in Ghana ist es immer friedlich, die Kriminalität ist gering und die Demokratie funktioniert. Auch meine Frau und mein Schwiegervater sind begeistert von diesem Land.»
Ghana über alles? «Nein», sagt Alex, «Südafrika hat landschaftlich noch mehr zu bieten. Mit Kumasi habe ich dieses Land in mehreren Trainingslagern kennen gelernt.» Der 33-Jährige findet es grossartig, dass die Weltmeisterschaft hier stattfindet. «Ich glaube, es wird viele Überraschungen geben. Für Ghana ist alles möglich.» Er traut aber allen afrikanischen Mannschaften einen Exploit zu. «Ich freue mich extrem auf dieses Turnier», sagt Alex. Vom Schweizer Fernsehen ist er für die Spiele von Ghana ins Studio eingeladen. 11-mal hat er für sein Land gespielt, auf drei Einsätze hat er es bei der WM in Deutschland gebracht. «Eine Weltmeisterschaft ist das Grösste, was ein Spieler in seiner Laufbahn erleben kann», sagt Alex. Als nach dem verlorenen Achtelfinal gegen Brasilien Trainer Ratomir Djukovic zu ihm gekommen ist und gesagt hat, er sei der Beste gewesen, hat Alex gedacht: «Das ist wohl ein Witz, ich habe ja nur 20 Minuten gespielt.» Heute aber, aus der Sicht des Trainers, sagt auch er: «Djukovic hat recht gehabt, ich habe damals taktisch alles richtig gemacht.»
Alex Tachie-Mensah will den A-Junioren von Frauenfeld vermitteln, was mit Teamwork alles möglich ist."