Suna hat geschrieben: ↑17.05.2022 23:28
So, ich habe Zeit gebraucht und komme jetzt wie die alte Fasnacht etwas spät.
Der Sonntag war bis zum Spiel hin grandios - wie auch die Zeit vor Sonntag. Ich war voller Vorfreude und brannte richtig auf den Finaltag. Die Fahrt mit dem Extrazug war klasse. Zehn Jahre bin ich in keinem mehr gefahren - ich reise mittlerweile individuell. Zu Beginn hatte ich ein etwas mulmiges Gefühl - als ü40ger war ich doch mit Abstand älter als viele im Wagon. Schnell wurden Kontakte geknüpft, gute Gespräche geführt und die Vorfreude zelebriert. Das Gemeinsame war unschlagbar gut. Irgendwann waren auch Familien mit Kindern im Wagon - alle wurden miteinbezogen, ein wunderbares miteinander. 1998 war ich der Junge unter den Alten, es war ebenfalls wunderbar - es schloss sich ein Kreis für mich. Der Marsch war top. War etwa in der Mitte. Habe viele Leute getroffen, die ich kaum mehr sehe und wenn kurz vor dem Stadion. Es hat Spass gemacht und das zelebrieren des FCSG war unschlagbar.
Das Spiel ist zum vergessen. Ich war richtig down - ich habe mir das schlicht anders vorgestellt. Eine Niederlage kann es immer setzten - so ist Fussball. Wir waren weder Favorit, noch konnte davon ausgegangen werden, dass das eine lockere Nummer wird. Mich hat getroffen, dass wenig zusammengepasst hat und Drops schon früh gelutscht war. Ich musste nach Abpfiff direkt aus dem Stadion, wollte nur noch heim. Extrazug erwischt, in Olten musste umgestiegen werden. Stehend nach Zürich, alles erfüllt, um richtig abgefuckt zu sein. In Zürich einen Vater mit Sohn getroffen und mich wieder extrem gut unterhalten - obwohl ich wenig Lust hatte auf Menschen. Die beiden haben es geschafft irgendwie alles in Relation zu bringen.
Montag gehadert. Mal so, mal so. Heute erste klare Gedanken.
Ich bin seit knapp Mitte der 80ger im Stadion, damals noch mit meinem Vater. Grösster Erfolg die Wintermeisterschaft, was ja bereits alles sagt. Abstiege erlebt, Wanner nackt erlebt. Dann 98, Enttäuschung. 2000 ist alles explodiert - ich bin dankbar die Meisterschaft erlebt zu haben. Eigentlich aus dem Nichts. Ein Jahr später Meisterschaft im eignen Stadion gegen GC hergegeben (scheiss Nunez). Hier Spendenaktion, da Probleme. Gegen Chisinau kassiert, gegen Wilhelm II (?) kassiert, in Istanbul mit maximalem Pech, Cup Gossau, Wil, etc., 11-3 Klatsche, etc.. Fan war ich immer. Liebe war es immer. Seit ich ein Kind war wurde mit klar, dass der FCSG nicht dafür steht Erfolge zu feiern - es geht viel Tiefer. Wir zerren von der Hoffnung nach Ausreissern, zerren von den Geschichten; ältester Verein der Schweiz, Erfolge (Chelsea, Wadenbeinbruch di Matteo, Moskau,...).
Egal was dieser Verein an Schmerzen bringt, es sind die Ausreisser und wenigen Sternstunden die binden. Das gemeinsame Hoffen, dass nie Aufgeben, das Kämpfen um Anerkennung und einstige Titel. Wir sind uns nahe im Leiden und nahe im seltenen Wahnsinn der Glückseligkeit, die wir dann auch tief und intensiv ausleben. Wir wollen uns identifizieren. Es muss nicht perfekt sein. Unser Verein widerspiegelt das Dasein von vielen von uns.
Ich habe mich heute an diese Erfolge und Momente erinnert und bin dankbar für eine Nacht in Swansea, dankbar mich immer wieder voller Begeisterung einzulassen. Oft bleibt uns der grosse Erfolg vergönnt. Aber gerade Wales war mir heute wieder so krass präsent. Dafür bin ich Fan, dafür bin ich bereit mit diesem Verein immer und immer wieder zu leiden. Es gibt sie, diese Momente - auch wenn sie vielen ausserhalb als klein erscheinen. Mir bedeuten sie wahnsinnig viel.
Ich bin der Überzeugung, dass die Spieler alles geben wollten. Ich bin mir sicher, dass diese zu einem beachtlichen Teil genauso leiden. Man darf so nicht verlieren - aber wir können es. Nicht weil der Trainer kacke wäre, nicht weil die Führung nicht taugt und nicht weil die Spieler nicht wollten. Wir haben uns kollektiv in das Ding reingesteigert, vielleicht das ganze Finale überhöht. Druck erschaffen - gewollt haben es alle unbedingt. Natürlich sollten wir daraus lernen. Was mir zumindest niemand nimmt; ich habe an den Sieg geglaubt (warum auch immer) und hatte Tage der Vorfreude, die wahrscheinlich nur Fans kennen, die das Leiden gut kennen.
Es wird wieder ein Titel kommen oder eine magische Nacht irgendwo in Europa, in der wir uns in den Armen liegen. Genauso werden wir wieder leer schlucken.
Alles sehr simpel. Viel Vermischt. Keine Analyse. Nur Fansein.
Ich kann heute wieder nach vorne Blicken.